Helluo Librorum präsentiert aus der Reihe "Bücher, die man gelesen haben muss":
Jack Ketchum - BeutezeitGenre: Horror / Thriller
Seiten: 288
Verlag: Heyne
ISBN-10: 345367507X
ISBN-13: 978-3453675070
Zitate"Ketchums unglaubliche Sprachgewalt und seine tiefen und emotionalen Einsichten verleihen diesem Roman seine verstörende Wirkung, die den Leser noch lange verfolgen wird." (Publishers Weekly )
"Eins der erschreckendsten Bücher, das ich je gelesen habe." (Robert Bloch / "Psycho" )
Autor & Buch (Allgemeines)Jack Ketchum ist ein absolutes Ausnahmetalent im Horrorgenre. Seine Fans können über einen Autor wie Stephen King, dem „Meister des Horrors“, wie er so gerne genannt wird, nur müde lächeln. Im Vergleich zu den Büchern Ketchums wirken die vom „King“ regelrecht wie Geschichten, die man seinen Kindern abends zum Einschlafen erzählen kann. ;-)
Während man sich nach dem Lesen so vieler Bücher doch sehr darüber wundern muss, dass diese auf dem Cover als „Hardcore“ deklariert werden, mutet das bei „Beutezeit“ schon fast als Untertreibung des Jahrhunderts an. Es ist ein wahres Meisterwerk der Brutalität, dass das Horrorgenre mehr als würdig vertritt.
Ich muss an dieser Stelle vorsorglich darauf hinweisen, dass es verschiedene Versionen des Buches gibt. Bei erstmaliger Erscheinung wurde Jack Ketchum von seinem Verlag noch dazu gezwungen, sein Skript drastisch zu entschärfen. Für damalige Zeiten wäre es unvorstellbar gewesen, solch ein Buch zu veröffentlichen. Wer sich also für „Beutezeit“ interessieren sollte, der muss beim Kauf unbedingt darauf achten, die aktuelle, „unzensierte“ Version zu kaufen. Leider handelt es sich dabei nicht um das Original, denn dieses hat der Autor seinerzeit dummerweise im Müll entledigt. :- ( Zu dieser Thematik geht Jack Ketchum in seinem Buch detailliert ein.
Bevor jetzt wieder jemand auf den Gedanken kommen sollte, dem Autor vorzuwerfen, dass er die Idee zu seinem Buch bei gewissen modernen Filmen abgekupfert hat, möchte ich erwähnen, dass es das Buch viel länger als diese Filme gibt, nämlich in seiner zensierten Fassung bereits seit 1980.
Es sind schon ein paar Bücher dieses Autoren verfilmt worden. Hoffentlich wagt sich auch einmal ein Regisseur an „Beutezeit“ heran. :-)
Handlung
(Frei von Spoilern - Es wird nichts Wichtiges verraten, was man nicht auch dem Klappentext entnehmen kann!)Carla hat sich gerade erst ein schmuckes Ferienhaus in einer abgeschiedenen Waldgegend an der Ostküste von Maine gekauft. Zur Einweihung lädt sie neben ihrem Partner auch zwei befreundete Paare zu einer entspannten Urlaubswoche ein. Wie Carla glaubt, wohnen die nächsten Nachbarn meilenweit entfernt. Doch damit liegt sie vollkommen falsch. Denn in der unmittelbaren Umgebung des Wochenendhauses lebt in einer Höhle eine Gruppe verwahrloster Wilder, die hauptsächlich aus Kindern und Jugendlichen besteht. Diese leben völlig abgeschottet von der Außenwelt, die noch nicht einmal von ihrer Existenz weiß. Durch Inzest vergrößert sich die Gruppe stetig. Sie sind nicht nur extrem gewaltbereit, sondern haben auch eine besondere Vorliebe. Diese Gruppe ist der Grund dafür, dass in dieser Gegend in den letzten Jahren immer wieder Menschen, vornehmlich Urlauber, verschwunden sind. Dies ist ihr Jagdgebiet und hier stillen sie ihren Appetit auf frisches Menschenfleisch. Die Polizei steht diesbezüglich bisher vor einem Rätsel. Sie haben keine Ahnung, dass hier eine mörderische Gruppe von Kannibalen ihr Unwesen treibt. Während im Haus die Stimmung noch sehr ausgelassen ist, werden die neuen potentiellen Opfer bereits aufmerksam beobachtet. In der Nacht ist es dann so weit: Die Beute ist eingekesselt. Es gilt diese für das neue Schlachtfest zu erlegen – die Jagd kann beginnen!
Charaktere„Beutezeit“ ist keine Charakterstudie, sondern beste Splatter-Unterhaltung. Daher sehe ich es nicht als besonders wichtig an, mich über die Charaktere auszulassen.
Atmosphäre & SchreibstilZartbesaitete Menschen sollten entweder so vernünftig sein, vom Lesen dieses Buches Abstand zu nehmen oder wenigstens vorsorglich einen Eimer neben das Sofa stellen – nur für den Fall der Fälle. Es wäre außerdem ratsam, vor, während oder nach dem Lesen keine feste Nahrung zu sich zu nehmen, wenn man weiß, dass man über einen schwachen Magen verfügt.
Normalerweise betrachte ich es als einen großen Pluspunkt, wenn ein Buch so detailliert beschrieben ist, dass es einem ein perfektes Kopfkino bietet. In diesem Fall könnte das jedoch für manchen Leser eher zu den Negativaspekten des Buches geraten. Denn was andere Autoren in ihren Büchern nur vage andeuten, wird in „Beutezeit“ in höchstem Maße unverblümt geschildert.
(Achtung, Spoiler! Wer sich den Lesespaß nicht verderben möchte, sollte diesen farblich markierten Teil besser komplett überlesen!)
Bei Jack Ketchum fließt das Blut in Strömen. Wenn man bis ins kleinste Detail beschrieben erfährt, wie Menschenfleisch schmeckt, vergeht einem schnell der Appetit. Der Autor lässt seine Romanfiguren wie ein Spanferkel am Spieß hängend grillen. Es werden den noch lebenden Opfern Gliedmaßen abgetrennt, welche anschließend verspeist werden und die blutenden Wunden werden mit Hilfe von einer Fackel wieder verschlossen. Es wird Hirnmasse verspritzt und Gedärme wabern aus dem aufgeschlitzten Magen. Wenn sogar ein Herz aus einer noch lebenden Person geschnitten wird, ist für die meisten Leser vermutlich spätestens dann die Ekelgrenze erreicht oder gar überschritten.
Man leidet mit den Opfern zwangsläufig derart mit, dass man dem Autor schon vorwerfen könnte, dass er seine Leser foltert. Man fühlt sich tatsächlich so sehr in die Geschichte hineinversetzt, dass man fast schon meint, den Geruch des gegrillten Menschenfleisches riechen zu können. Jack Ketchum schildert selbst die schlimmsten Szenen völlig emotionslos.Der Ekelfaktor ist ob solch brutal dargestellter Gewalt in seiner reinsten Form extrem hoch. Während dies für manche Leser vielleicht sogar der entscheidende Kaufgrund sein wird, werden andere gerade deshalb bewusst auf „Beutezeit“ verzichten.
Der Autor scheint geradezu von Gefühlskälte beseelt und findet keinerlei Gnade für seine Romanfiguren. Es ist grausam, wie menschenverachtend er mit ihnen umgeht. Man muss sich ernsthaft fragen, wie man solch eine perverse Phantasie haben kann. Die Gedankenwelt mancher Menschen scheint noch viel böser zu sein, als der brutalste Horrorfilm aller Zeiten. „Beutezeit“ ist vor allem in seinen kleinen Details besonders widerwärtig und abstoßend. Dieses Buch schockiert nicht nur, es lässt einen entsetzt und fassungslos zurück.
Es lässt sich natürlich immer so schön sagen, dass ein Buch eine völlig unerwartete Wendung nimmt. Aber in kaum einem anderen Buch als diesem trifft das so sehr zu. Um den Lesespaß nicht zu verderben, werde ich an dieser Stelle aber natürlich nicht verraten, was genau es damit auf sich hat.
Warnung: Der Leser darf sich auf gar keinen Fall von der ersten knappen Hälfte des Buches täuschen lassen! Jack Ketchum lässt es bewusst sehr ruhig angehen, wiegt seine Leser in Sicherheit. Er stellt uns erst einmal die Charaktere vor und beschreibt die nähere Umgebung, bevor er plötzlich den Hammer herausholt und einen in der zweiten Buchhälfte in ein wahrhaft alptraumhaftes Szenario entführt, dass sich leider viel zu real anfühlt. Wer es dann doch nicht zu Ende liest, der ist entweder zu schwach für dieses Buch oder er ist vor lauter Angst beim Lesen einem Herzinfarkt erlegen. Wenn Jack Ketchum seinen Kannibalen den Startschuss gibt, möchte man zwischenzeitlich am liebsten die Augen vor den Worten verschließen, aber es gelingt einem einfach nicht. Fast wie bei einem grausamen Autounfall, bei dem man es einfach nicht schafft, den Blick abzuwenden.
Zwischendurch bitte das Atmen nicht vergessen!
Jack Ketchum verfasst wunderbare Dialoge und lässt es an den richtigen Stellen auch nicht an Schwarzem Humor oder sexuellen Anspielungen vermissen.
NachbemerkungenJack Ketchum gelingt es mit „Beutezeit“, selbst hartgesottene Leser und Liebhaber des Horrorgenres zu schockieren. Er geht dabei bewusst über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus. Von mir aus hätte er sogar noch brutaler schreiben können. Ich liebe es, solche Bücher zu lesen.
Wenn Menschen fernab der Zivilisation nur nach ihren eigenen Werten und Regeln leben, dann können sie nur zu schnell und leicht ihre Menschlichkeit verlieren.
Man sollte sich einmal ernsthaft die Frage stellen, was man selbst zu tun bereit wäre, wenn wir in einer Welt ohne Militär, Polizei, Gericht und Regierung leben würden. In der es weder Gesetze noch von uns fremden Menschen auferlegte Regeln geben würde.
SchlusswortEs ist angerichtet, guten Appetit!
HinweisRechtschreibung und Grammatik wie immer ohne Gewähr!