Fernsehkritik zu „Pures Leben – Mitten in Deutschland“, Sonntag, 12.08.12, SAT1, 19.00 Uhr
Uff, Geschafft! Nachdem wir nun über zwei Wochen Olympia überstanden haben, und so wichtige Dinge erfahren durften wie von Michael Phelps, das die Schwimmer ins Becken pieseln, oder von Fußballerin Hope Solo, wie hemmungslos im Olympischen Dorf gevögelt wird, können wir uns jetzt wieder den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen: Dem Fernsehprogramm!
Und da kommt es auch schon- mit der Wucht einer Granate, die direkt neben uns einschlägt und uns Arme und Beine wegreißt und uns als hilflose Krüppel auf dem Schlachtfeld des Fernsehens zurücklässt! Durch eine Vorankündigung bin ich auf diesen unglaublich brutalen Anschlag auf den guten Geschmack aufmerksam geworden: „Pures Leben – Mitten in Deutschland“ auf SAT1.
Und was wurde uns hier geboten? Die arbeitslose Eileen, 23 Jahre und unglaublich verfressen und fett, lebt zusammen mit ihrem Freund Egon, von Beruf „Blättersammler“ (Ja, der schleppt tatsächlich Säckeweise altes Laub ins Haus und bügelt es, man glaubt es kaum, mit dem Bügeleisen auf), ihrer Tante Doris, 54, von Beruf Rentnerin und ihrem Vater Peter.
Eileen also, ist ein „Sparfuchs“, was heißt, sie kauft im Supermarkt einen Doppelzentner Milka-Schokolade, wenn die gerade im Angebot ist! Sie frisst an der Käsetheke den Teller mit den Probierhäppchen leer und verlangt Nachschlag. Als sie den von der Verkäuferin nicht bekommt („Die anderen Kunden möchten auch noch was!“) versucht sie, andere Kunden zu überreden, für sie Käsehäppchen zu organisieren. Sie holt aus einem Müllcontainer abgelaufene Lebensmittel, unter anderem mehrere Sahnetorten, auf die sie so scharf ist, das sie noch vor Ort, im Container stehend, über sie herfällt. Sie verschlingt im China-Restaurant unglaubliche 12 (!) Teller- ist ja schließlich „all you can eat“! Tante Doris kann es nicht fassen: „Ich dacht' schon, du wolltest die Teller bis unter die Decke stapeln.“ „Nee – das wär doch viel zu viel gewesen!“ Dann schaufelt sich die Dicke noch mehrere Tupper-Kisten vom Buffet voll („Für zuhause!“). Als zuhause die Schränke leer sind, geht sie in der Nachbarschaft Essen schnorren. Nichts scheint dieser Frau zu peinlich. Eine Probe-Arbeit als Küchenhilfe versaut sie, weil sie in der Küche nur Scheiße baut und nur ans Fressen denkt. Zusammen mit Tante Doris (Die zwar immer wieder sagt, dass sie sich für ihre Nichte unendlich schämt, aber trotzdem die ganze Zeit hinter ihr herdackelt), geht Eileen auf einen Wochenmarkt. Dort wird ein Spaghetti-Wettfressen veranstaltet – der Preis: Ein Restaurantgutschein! Na, das ist doch was für den „Sparfuchs“! Eileen nimmt teil, überschätzt aber ihren Appetit. Die Hälfte ihrer Portion lässt sie in ihrer Einkaufstasche verschwinden. Sie fliegt auf und muss sich von Tante Doris noch die 10 Euro Teilnahmegebühr leihen. Tante Doris wird auch nicht schlauer und begleitet ihre Nichte zum Acker eines Bauern, wo sie Kohlköpfe klauen will („Wieso? Die wachsen doch da frei- dann kann sich die doch jeder nehmen?!“). Als sie Kindergartenkindern die Frühstücksbrote wegnimmt und sie gegen Lutscher „tauscht“, bei denen das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist („Das ist doch Zucker – der wird doch nicht schlecht?!“), ist das Maß voll- ihr Freund Egon redet Klartext mit ihr. Zur Versöhnung richtet Eileen ein „Schokobad“, das beide teilen und sich gegenseitig mit Sektgläsern voll Schokosoße zuprosten!!
Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte!
Ist das zu fassen? Diesen geballten Mist habe ich mir nicht ausgedacht- der lief wirklich so auf SAT1! Man weiß nicht, ob man weinen oder weinen soll?! Das infamste dabei: Der Sender, der so auf übergewichtige Menschen eindrischt, macht in jeder Werbepause Reklame für massenhaft Plombenzieher („Nimm Zwei-Vitamine und naschen!“, „Raffaelo- Genuss ohne Reue“) und Süssfresskram, und verdient damit Millionen. SAT1 hat ja schon Erfahrung im Dicken-Bashing („The biggest Loser“) aber das hier setzt allem die Krone auf!! Diese „Formate“ sind in einem Maße diffamierend und beleidigend, dass sie eigentlich schon den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen! Was wundern wir uns eigentlich noch, dass unsere Kinder in der Schule sich gegenseitig mobben und quälen – bei solchen Programmen zur schönsten Sonntagabendzeit?! Und am Montagmorgen kriegt die hässliche Fette aus der 6a erstmal einen Tritt in den A...!!!