Das Anwalts – Interview
Es ist Mittwoch, gegen 17.30 Uhr. Wir, Andreas und Ingo, betreten ein Geschäftsviertel an der Podbielskistraße. Alles ist neu, ein Gewirr aus verschiedenen Gebäuden, mittendrin ein Geldautomat. „Guck mal, da kannst Du gleich den Anwalt bezahlen.“ kommentiere ich das Gerät an ungewöhnlichem Ort. Die Bemerkung bezog sich auf unseren Termin, einem Gespräch mit dem hannoverschen Anwalt Jean Gutschalk. Wir möchten von ihm mehr wissen zu Urheberrecht, Abmahnungen, ACTA – kurz: zu dem was man allgemein unter Internetrecht versteht. Im vierten Stock von Gebäude 166B begrüßt uns der Anwalt mit sehr festem Händedruck. „Tennisarm.“ vermutet Andreas.
Anwalt Gutschalk war gesprächsbereit und beantwortete unsere Fragen sehr ausführlich und weit reichend. Das Gespräch ist hier zusammengefasst.
Das Thema Urheberrecht ist ein weites und kompliziertes Feld. Schwer verständlich ist für viele Internet-Nutzer die „fehlende Stofflichkeit“ bei Urheberrechts-Verletzungen. Jeder könne nachvollziehen, dass der Diebstahl von Süßigkeiten aus einem Supermarkt strafrechtliche Konsequenzen haben müsse. Der Diebstahl (d. h. das unberechtigte Kopieren und Herunterladen von Texten, Bildern, Musik und Filmen aus dem Internet) von „geistigem Eigentum“ gilt aber nach wie vor als Kavaliersdelikt. Die geklauten Datenströme begriffen viele nicht als „Eigentum“, ihr Kopieren und Herunterladen nicht als Diebstahl.
Andererseits lässt der Gesetzgeber in der Rechtssprechung auch immer wieder Raum für großzügige Interpretation. Das sorgt für Unsicherheit und Verwirrung. Ein Beispiel: die „100 Euro-Deckelung“. Zum 01. September 2008 trat der neue § 97a Abs.2 UrhG (Urheberschutz Gesetz) in Kraft. Dieser Gesetzes-Zusatz soll die von Abgemahnten zu tragenden Kosten (also Anwalts- und Streitwert-Kosten) einer berechtigten, urheberrechtlichen Abmahnung auf 100 Euro begrenzen- wenn es sich um eine erstmalige Abmahnung in einem einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung handelt, die außerhalb des geschäftlichen Verkehrs begangen wurde. Puh! Was heißt das?
In Betracht kommt eine Anwendung des § 97a Abs. 2 UrhG insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen durch die Nutzung von Musiktauschbörsen, bei der Verwendung von fremden Fotografien im Internet und bei der Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Straßenkartenausschnitten auf privaten Homepages.
Wo ist jetzt das Problem? Selbst Juristen sagen, diese Vorschrift besteht praktisch ausschließlich aus unbestimmten Rechtsbegriffen, deren Auslegung derzeit noch unklar ist.
Zum Beispiel „Der Grundsatz bzw. die Berechtigung (der Abmahnung)“. Die Abmahnung ist berechtigt, wenn einerseits der Rechtsverstoß vorliegt und überdies auch die Abmahnung erforderlich war. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Betreffende bereits eine hinreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Zum Beispiel „die Erstmaligkeit (der Abmahnung)“. Entscheidend ist, ob es sich aus der Sicht des Verletzten (d. h. der, dessen Urheberrecht verletzt wurde) um die erstmalige Abmahnung handelt. Unklar ist jedoch, wie weit hier der Begriff der Abmahnung zu fassen ist. Nur wenn exakt dieselbe Rechtsverletzung erneut begangen wird, ist eine Abmahnung keine erstmalige Abmahnung mehr. Was genau als erstmalige Abmahnung verstanden wird, müssen jedoch nun die Gerichte klären.
Zum Beispiel „die nur unerhebliche Rechtsverletzung“. Der Gesetzgeber versteht hierunter ein nur geringes Maß an Rechtsverletzung, sowohl in qualitativer, als auch in quantitativer Hinsicht. Um welche ‚Bagatellverstöße’ es sich dabei genau handelt, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Also – unklar!
Zum Beispiel „der einfach gelagerte Fall“. Bislang hieß es in der Rechtssprechung regelmäßig, dass es sich beim Urheberrecht generell nicht um einfach gelagerte Fälle handelt. Ausgegangen wurde dabei von dem, was Juristen in ihrer Ausbildung lernen.
Das Urheberrecht gehört dort nicht zum Pflichtstoff. Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich bei „einfach gelagerten Fällen“ um solche, die nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand zu bearbeiten ist. Auch hier sind aktuell noch viele Fragen offen.
Zum Beispiel „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“. Nach den Gesetzgebungsmaterialien ist unter dem Handeln im geschäftlichen Verkehr jede wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Markt zu verstehen, die der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszwecks zu dienen bestimmt ist. Wo jedoch genau die Grenze zum geschäftlichen Verkehr liegt, ist aktuell noch unklar.
Hier sieht man, das Rechtssprechung manchmal mehr vernebeln als aufklären kann.
Alles in Allem waren die Antworten noch weit ausführlicher als sich hier aufzeichnen lässt, doch insgesamt weitgehend auch für den Laien verständlich der sich mal grundsätzlich informieren will. Im Internet gibt es zahlreiche Quellen die dieses Thema auch umfangreich, nicht immer nachvollziehbar behandeln. Wir hoffen das wir euch einen Einblick verschaffen konnten in die Welt des Urheberrechtes mit dem Schwerpunkt Onlinerecht. Also nicht einfach Fotos Texte anderer, frei Schnauze, hochladen sondern immer erst den Urheber anschreiben, anfragen ob er dies gestattet.
Andreas G. Wilsdorf Ingo Howind
Ein gemeinsames Projekt von
Soziale Medien im WTM
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