Tja, 2008 hat Spanien zwei Stürmer aufgeboten, 2010 nur einen, jetzt hat del Bosque noch mal heruntergefahren und Diego Costa gebracht. Der läuft nicht mit, der denkt nicht mit, der bricht sich frei vor dem Tor die Beine (wofür er unverschämterweise auch noch einen Elfmeter bekommt). Spielzüge finden zwar weiterhin statt, aber kaum mehr in die Tiefe. Zwangsläufige Ballverluste vor dem Strafraum beschwören gefährliche Konter herauf. Und für diesen Rumpelfüßler musste ein Llorente zu Hause bleiben. Warum?
Vielleicht ist die Mannschaft an sich auch über ihren Zenit. So weit möchte ich aber noch nicht gehen.
Was Holland angeht - nun, jeder, der sich etwas mit Fußball beschäftigt, wusste wohl um die Qualitäten von van Gaal und auch die beachtliche Stärke des Kaders.
Ich zwar um so mehr dank der mehrere hundert Seiten starken WM-Vorschau von Spielverlagerung, die ich mir für 6,95 Euro gekauft habe: Gerade die Nachwuchsverteidiger der Niederlande sind von Spielverlagerung mit großen Vorschusslorbeeren bedacht worden, vor allem der spielstarke Daley Blind, Vorbereiter zweier Tore, und der athletische, umtriebige Martins Indi.
Allerdings hat es auch mich verblüfft, mit welcher Selbstverständlichkeit die Holländer die Spanier matt gesetzt haben. Sie bedienten sich dabei desselben Rezeptes wie Brasilien beim Confed-Cup: Früh stören, zentrales Mittelfeld isolieren, überfallartig und zugleich aber strukturiert kontern. Nur in noch größerer Perfektion! In dem Dossier war auch von Verletzungen, munterer Experimentiererei in der Vorbereitung und folgerichtig zu erwartenden Abstimmungsproblemen die Rede. Und dann so ein harmonisch ineinandergreifendes System binnen so kurzer Zeit auf den Rasen zu bringen, grenzt schon an Zauberei. Wobei die Kombinationsbremse auf der anderen Seite, der oben erwähnte Diego Costa, da natürlich gewaltig mitgeholfen hat.
An einen Sieg der Iberer habe ich im Vorhinein nicht geglaubt. Eher an ein vorsichtiges Abtasten beider Teams, da es ja auch das erste Gruppenspiel war. Spanien war für mich auch nie unangefochtener oder erster Favorit auf den Titel, denn sie haben schon so viel in Folge gewonnen wie niemand sonst und jede Ära geht einmal zu Ende.
Aber dieser Paukenschlag wirft natürlich so einige meiner Vorhersagen durcheinander. Auch ein frühzeitiges Ausscheiden des Titelverteidigers erscheint jetzt möglich. Und das, ohne dass das Niveau des Turniers unbedingt darunter leiden würde.
So ist Fußball und dafür liebe ich ihn!