Autor Thema: Dan Wells - Ich bin kein Serienkiller  (Gelesen 4923 mal)

Helluo Librorum

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Dan Wells - Ich bin kein Serienkiller
« am: 15. Nov. 2012, 14:09:16 »
Da das Buch sowohl als Horrorroman als auch als Thriller deklariert wird, habe ich es in beiden Kategorien eingestellt.

Helluo Librorum präsentiert aus der Reihe "Bücher, die man gelesen haben muss":

Dan Wells – Ich bin kein Serienkiller


Genre: Horror / Fantasy / Thriller
Seiten: 384
Verlag: Piper
ISBN-10: 3492701698
ISBN-13: 978-3492701693

Zitate

„Ich glaube", sagte ich und beobachtete sein Gesicht genau, „das Schicksal will, dass ich ein Serienkiller werde." (Zitat aus dem Buch)

„Nur weil du die ganze Zeit Trübsal bläst, musst du noch lange keine seelische Störung haben. Du bist einfach nur in der Pubertät, aber kein Psychotiker. Tatsache ist doch, dass dir ein Arzt nicht einfach eine Entschuldigung für das Leben schreiben kann." (Zitat aus dem Buch)

„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden deine Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Schicksal." (Zitat aus dem Buch)

Autor & Buch (Allgemeines)

Ein solch starkes Debüt gehört Genreübergreifend zu den absoluten Ausnahmen. Dan Wells schlug ein wie eine Bombe und war plötzlich in nahezu jedem Mund. Dass man von ihm in Zukunft noch sehr viel hören werden würde, war so ziemlich jedem halbwegs normal denkendem Menschen bereits nach der Lektüre von „Ich bin kein Serienkiller“ vollends bewusst.

Buch wie Autor darf man daher getrost zu den positiven Überraschungen der vergangenen Jahre zählen und sind in diesem Genre leider viel zu rar gesät.

„Ich bin kein Serienkiller“ ist eine äußerst gelungene Mischung aus Fantasy, Horror und Thriller.
Doch damit ist auch eins klar: Wer besonderen Wert auf Realismus legt, sollte von dem Kauf dieses Buches unbedingt absehen.

Mit „Mr. Monster“ und „Ich will dich nicht töten“ sind bereits die letzten beiden Bände der Trilogie veröffentlicht wurden.

Handlung - Teil 1

(Frei von Spoilern - Es wird nicht zu viel verraten!)


John ist fünfzehn Jahre alt und sein liebster Ort auf Erden ist das Bestattungsunternehmen, das seine Mutter im Keller ihres Wohnhauses führt. Er hilft ihr und seiner Tante, die auch dort arbeitet, regelmäßig und gerne bei der Arbeit. Am liebsten bei der Einbalsamierung der Leichen. John verbringt wesentlich mehr Zeit in dem Bestattungsunternehmen als in seinem Jugendzimmer. Wenn er einmal gründlich über etwas nachdenken will, kennt John dafür keinen besseren Platz als eben diese kleine Leichenhalle.

Fürwahr höchst ungewöhnlich für einen Jungen in seinem Alter, aber John als „normal“ zu bezeichnen, wäre auch das falscheste Wort, was man in diesem Zusammenhang benutzen könnte.

Der Tod hat schon immer eine morbide Faszination auf ihn ausgeübt. Da ist es der Sache auch alles andere als förderlich, das seine Mutter es ihm mit nur wenigen Ausnahmen erlaubt, in dem Bestattungsunternehmen zu helfen.

Während sie sein Verhalten immer wieder geflissentlich herunterspielt, machen sich Johns Therapeut und seine Lehrer zunehmend große Sorgen um ihn.

Dieser interessiert sich nicht wie andere Jungen in seinem Alter für banale Sachen wie z.B. Sport oder Kinofilme. Sein Interesse gilt einzig und allein den bis zum heutigen Tage bekannten Serienkillern, für die er eine besondere Vorliebe entwickelt hat. John liest alles über sie, was ihm unter die Finger kommt. Er studiert sie regelrecht und könnte in jedem Moment seines Lebens ausführlich und anschaulich über jeden von ihnen dozieren. Dabei weiß John selbst im Schlaf um jedes noch so kleine Detail ihrer Person, ihres Werdegangs sowie ihrer schrecklichen Verbrechen. Er versucht ihren Charakter zu verstehen und ihre Methodik zu analysieren.

Doch so sehr John auch von den Serienmördern dieser Welt fasziniert ist, möchte er sich unter gar keinen Umständen in deren Liste einreihen. Doch genau davor hat er solche Angst, vor dem, was tief in ihm drin schlummert und nur darauf wartet, endlich befreit zu werden. Denn John ist der festen Überzeugung, dass er von Geburt an die Neigung zum Serienkiller hat und es sein unausweichliches Schicksal sein wird, eines Tages genau so zu enden.

Sogar seinen eigenen Namen betrachtet er als ein schlechtes Omen, denn dieser lässt sich zweifelsohne mit dem Serienmörder John Wayne Gacy in Verbindung bringen. Zudem heißt sein Vater Sam, was ihn bloß an einen weiteren Serienmörder, den „Sohn des Sam“, erinnert.

Wie für Serienmörder nicht gerade unüblich war auch John als Kind ein Bettnässer, hat Spaß daran gehabt, Tiere zu quälen und liebend gerne mit dem Feuer gespielt. Um dieser Faszination auch weiterhin zu frönen, verbrennt er regelmäßig das Laub seiner Nachbarn.

Es entspricht auch dem Bild eines typischen Serienmörders, dass John andere Menschen bloß ein (wertloses) Ding betrachtet und er sie daher als ein „Es“ bezeichnet.

Sein Therapeut stuft ihn als Soziopath ein und liegt damit völlig richtig.

Denn es ist John unmöglich, Gefühle zu entwickeln, beziehungsweise nachzuvollziehen.
Er interessiert sich mit einer kleinen Ausnahme einfach nicht für andere Menschen und wüsste auch keinen einzigen Grund, warum man sich für einen Menschen überhaupt näher interessieren könnte.

Nur seine Mitschülerin Brooke weckt ein wenig Interesse in ihm, was ihn aber sehr zu irritieren vermag.

Wenn John völlig nüchtern davon erzählt, dass es einmal eine Zeit gab, in der er eine Todesliste geführt hat oder wie er sich manchmal vorstellt, seiner Mutter ein Messer in den Kopf zu rammen, bekommt man einen schockierenden Einblick in die dunkle Seele des jungen John Wayne Cleaver und schüttelt ob dieser innerlichen Eiseskälte fassungslos den Kopf.

Um das „Monster“ in ihm drin auch weiterhin kontrollieren zu können, legt er sich selbst strikte Verhaltensregeln auf, die ihm das Leben als „normaler“ Mensch möglichst lange ermöglichen sollen und im besten Fall verhindern, in die typischen Verhaltensmuster eines Serienmörders zu verfallen.

Durch den Verhaltenskodex hofft John darauf, eine reelle Chance zu haben, nicht doch eines Tages als Serienkiller zu enden.

John ist ehrlich bemüht, sich an seine eigenen Regeln zu halten, denn vor nichts graut es ihm mehr, als sich kampflos in sein „Schicksal“ ergeben zu müssen.

Dazu führt er unter anderem eine Alibifreundschaft, geht Konfliktsituationen möglichst aus dem Weg und vermeidet auch den Umgang mit Tieren.

John verbietet es sich auch selbst, jemanden zu beobachten oder gar zu verfolgen. Wenn er dagegen verstößt, muss er versuchen, diese Person eine Woche lang komplett zu ignorieren.

Wenn John am liebsten jemanden umbringen möchte, muss er dieser Person ein Kompliment machen.

Dabei wäre John doch eigentlich nur zu gerne ein ganz gewöhnlicher Teenager mit all seinen Sorgen und Nöten. Tatsächlich aber fällt ihm all das mehr oder weniger schwer, was für seine Mitschüler völlig normal zu sein scheint. Für diese gilt er als der geborene Außenseiter.

Um jedoch zumindest nach außen hin einen möglichst normalen Eindruck zu erwecken, gibt er sich beispielsweise immer wieder als hilfsbereiter Nachbarsjunge bei dem netten, alten Rentnerpaar von Gegenüber, den Crowleys. Diese betrachten ihn beinahe schon als ihren eigenen Enkelsohn. Egal, ob es etwas zu reparieren gilt, die Straße zu kehren ist oder im Winter der Schnee weggeräumt werden muss: John ist immer zur Stelle.

Als eines Tages ein bizarrer Mord in dem kleinen Ort namens Clayton passiert, sieht John Wayne Cleaver die Chance gekommen, dass endlich einmal etwas Interessantes in seinem Leben passiert. Was er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht weiß, ist, dass seine Welt durch diesen Vorfall schon sehr bald völlig aus den Fugen geraten wird.

Handlung - Teil 2

Achtung Spoiler! (Wer sich den Lesespaß nicht verderben möchte, sollte diesen Part vielleicht gänzlich überlesen)

Als dann das erste Opfer in dem Bestattungsunternehmen seiner Mutter eingeliefert wird, erkennt John mit geübtem Blick schnell die fehlende Niere.

Er äußert im Beisein seiner Mutter und ihrer Schwester seine Gedanken. Diese schockieren die beiden derart, dass Johns Mutter es ihm sogar für unbestimmte Zeit verbietet, sich im Bestattungsunternehmen aufzuhalten.

Als dann auch bei den weiteren Leichen Organe entwendet werden, ist sich John absolut sicher, dass ein Serienkiller in dem kleinen Ort sein Unwesen treibt.

Während die Einwohner des einst so beschaulichen kleinen Orts angesichts der bizarren Mordserie in Panik zu verfallen scheinen, ist John der einzige, der sich regelrecht darüber zu freuen scheint.
Zwischendurch stellt er sich sogar die Frage, ob er nicht vielleicht selbst der Serienkiller ist.

Als John plötzlich einen Streuner bemerkt, der in dem kleinen Ort auffällt wie ein bunter Hund, und der die Bewohner zu beobachten scheint, verfolgt er ihn fortan unablässig. Immer mehr keimt in John der Verdacht auf, dass es sich bei dem Fremden um den Killer handelt.

Doch es kommt alles ganz anders, als er es sich gedacht hat. Denn als der Streuner in den Wagen eines Nachbarn steigt und John diesen vor dem vermeintlichen Mörder warnen will, wird er Zeuge dessen, wie sein Nachbar den Streuner ermordet und sich zu seiner völligen Überraschung als der Serienkiller entpuppt.

Den Mord selbst beobachtet John voller Faszination. Trotzdem ist er noch in der Lage dazu, Recht und Unrecht zu unterscheiden und will dem Serienkiller schnell das Handwerk legen lassen. Zuerst setzt John noch auf die Polizei, die den Täter auch sogleich aufsucht. Doch als diese unter den heimlichen Blicken Johns getötet werden, erkennt er, dass der Serienmörder viel zu mächtig ist und nicht einfach so zu besiegen sein wird.

Als John seine Optionen überdenkt, erkennt er, dass ihm in diesem speziell gearteten Fall mit aller Wahrscheinlichkeit niemand Glauben schenken wird. Daher entschließt er sich dazu, die Sache fortan selbst in die Hand zu nehmen.

John sieht seinen Vorteil darin, die Fähigkeit zu haben, selbst wie ein Serienkiller denken zu können.

Doch um den wahren Serienkiller überführen zu können, beschließt John, gegen seine eigenen Regeln zu verstoßen, die ihm lange Zeit erfolgreich als Schutzmechanismus dienten. Auch wenn dies bedeutet Gefahr zu laufen, seinen eigenen Dämon zu entfesseln.

Er verfolgt den Serienkiller, beobachtet ihn heimlich, studiert die Vorgehensweise bei seinen Morden, versucht eine Schwachstelle zu entdecken und entwickelt einen Plan, wie er ihn schlussendlich hoffentlich besiegen kann.

Hinter der Fassade des scheinbar so netten und harmlosen alten Mannes, Johns Nachbarn Mr. Crowley, verbirgt sich ein düsteres Geheimnis. Denn in Wahrheit ist er ein Dämon, der sich lediglich einer menschlichen Hülle bedient. Um überleben zu können benötigt Mr. Crowley regelmäßig Gliedmaßen und Organe. Findet er sein nächstes Opfer nicht schnell genug, stirbt er. Dumm nur, dass Mr. Crowley in letzter Zeit immer schneller „Nachschub“ braucht. Was auch bedeutet, dass er immer größere Risiken eingehen muss, wenn er sich erneut auf die Jagd begibt.

Am Ende erkennt John die bittere Wahrheit, dass er gar keine andere Wahl hat, als seinen inneren Dämon zu entfesseln. Doch es gelingt ihm später nicht, diesen unter Kontrolle zu bringen und wieder tief in seinem Inneren zu verschließen. So bricht er auch weiterhin seine eigenen Regeln und wird zum persönlichen Stalker von Brooke, dem einzigen Mädchen, für das er ein gewisses Interesse hegt. Nicht nur John, sondern auch dem geschulten Leser drängt sich unweigerlich die Frage auf, wann er seinen ersten richtigen Mord begehen wird.

Charaktere

Hauptsächlich geht es in diesem Buch um die Figur des John Wayne Cleaver, aus dessen Sicht auch die Geschichte erzählt wird. Diese Figur hat der Autor derart brillant gezeichnet, dass man gleichermaßen fasziniert wie angeekelt von ihr ist.

Die interessanten Gespräche in der Therapie, die von der Offenheit gegenüber seinem Psychiater geprägt sind, lassen einen John noch wesentlich besser begreifen.

Beinahe entsteht schon so etwas wie eine intime Verbundenheit zwischen Leser und Romanfigur, die das Leseerlebnis nur noch unheimlicher machen.

Sowohl John Wayne Cleaver als auch Mr. Crowley haben beide gute wie schlechte Seiten, was sie auf interessante Art und Weise auch vielschichtiger macht.

Spannung:

Ich hätte es kaum für möglich gehalten, dass ein Buch eine derart hohe Spannung aufbauen kann, in dem bereits zu so einem frühen Zeitpunkt der Mörder entlarvt ist.

Aber Dan Wells ist es gelungen, einen geschickt konstruierten Spannungsbogen aufzubauen, mit dem es ihn gelingt, seine Leser bis zum Ende des Buches hin zu fesseln.

Man fiebert die gesamte Zeit über mit John mit und verfolgt voller Spannung seinen Kampf gegen den Serienkiller und gegen seinen eigenen Dämon.

Ich musste immer wissen, was als nächstes passiert und konnte daher das Buch nicht aus der Hand legen, bevor ich es ausgelesen hatte.

Hinweis

Rechtschreibung und Grammatik wie immer ohne Gewähr! ;)

"Wenn zwei Menschen immer der gleichen Meinung sind, dann ist einer von ihnen überflüssig." Winston Churchill